Internet-Anzeige beim Autokauf: Arglist bei der falschen Angabe \“unfallfrei\“ ins Blaue hinein

LG Heidelberg 28.1.2015, 1 S 22/13

Eine ordnungsgemäße Korrektur einer in einer Internet-Anzeige ins Blaue hinein gemachten falschen Angabe über ein Gebrauchtfahrzeug muss sich an der Fehlvorstellung orientieren, die bei dem Käufer hervorgerufen worden ist. Durfte dieser aufgrund der Angabe \“unfallfrei\“ davon ausgehen, dass das Fahrzeug noch keine größeren Schäden erlitten hat, muss der Verkäufer deutlich auf das mögliche Vorhandensein auch größerer Schäden hinweisen.

Der Sachverhalt:
Der Kläger begehrt Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Gebrauchtwagen. Am 14.5.2010 kaufte der Kläger beim Beklagten einen Pkw Opel Tigra, Erstzulassung 25.3.1996, zum Preis von 2.800 €. Er war aufgrund einer Internet-Anzeige vom 13.5.2010 auf das Fahrzeug aufmerksam geworden, in der dieses als \“unfallfrei\“ angeboten worden war. Im Kaufvertrag war unter \“Ausstattung\“ am Ende ausgeführt: \“Seitenwand hinten links nachlackiert\“. Weiterhin war die Sachmängelhaftung des Verkäufers auf ein Jahr beschränkt. Als der Kläger das Auto im August 2011 dem TÜV vorführte, wurde ihm dort mitgeteilt, dass ein schwerwiegender Unfallschaden hinten links vorliege sowie ein Riss des Fahrzeugrahmens im vorderen Bereich, 10 cm von den Radläufen links und rechts entfernt.

Der Kläger behauptet, dass diese Mängel bei Übergabe des Fahrzeugs vorgelegen hätten. Der Beklagte habe bei Kaufvertragsschluss gesagt, es sei \“alles eingetragen und in Ordnung\“. Auf die Mängel sei nicht hingewiesen worden. Mit dem Angebot als unfallfrei habe der Beklagte eine Garantie für die Unfallfreiheit übernommen. Die Beschädigungen an der linken Seite seien nicht nur Bagatellschäden. Der Beklagte beruft sich auf die Einrede der Verjährung, weil der Kläger die Mängel erst deutlich später als ein Jahr nach Kaufvertragsschluss geltend gemacht habe. Zudem habe er im Kaufvertrag richtig gestellt, dass die Seitenwand hinten links nachlackiert worden sei.

Das AG wies die Klage unter Hinweis auf die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen ab. Auf die Berufung des Klägers änderte das LG das Urteil ab und gab der Klage ganz überwiegend statt. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Rückzahlung von 2.845 € Zug um Zug gegen Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs aus §§ 437 Nr. 3, 434, 280, 281 BGB.

Der von dem Kläger erworbene Pkw wies zum Zeitpunkt der Übergabe einen Sachmangel auf, weil er einen Unfallschaden hinten links hatte. Im hinteren Bereich des linken Seitenteils sind deutlich erhöhte Lackschichtdicken vorhanden. Dies stellt eine erkennbare Unregelmäßigkeit der Nachlackierung dar mit erheblichen reparaturtechnischen Mängeln, die auf eine unfachmännische und unvollständige Reparatur des Seitenteils hindeuten. Es sind noch Restverformungen des Seitenteils und der Radhausschale erkennbar, was auf eine nicht unerhebliche Deformation des Seitenteils hindeutet. Hieraus ergibt sich das Vorliegen eines Unfallschadens zum Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs. Aufgrund dieses Sachmangels kann der Kläger im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung des Kaufvertrags verlangen.

Dem kann der Beklagte nicht die Einrede der Verjährung entgegenhalten. Er hat seine Gewährleistungspflicht im Kaufvertrag zwar grundsätzlich wirksam auf ein Jahr beschränkt (§ 475 Abs. 2 BGB). Gem. § 438 Abs. 3 BGB geltend jedoch die regelmäßigen Verjährungsfristen, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Arglist setzt kein zielgerichtetes oder verwerfliches Verhalten voraus. Es genügt, wenn der Verkäufer ins Blaue hinein Angaben gegenüber dem Käufer macht, die sich später als falsch herausstellen. Der Beklagte hat hier das streitgegenständliche Fahrzeug in der Internetanzeige als unfallfrei beworben. Dies mag, wenn man den Ausführungen des Beklagten zur Häufigkeit und Fehleranfälligkeit von Internetanzeigen folgt, eine versehentliche Falschangabe gewesen sein. Wenn der Beklagte jedoch auf dieses ihm als fehleranfällig bekannte Medium zur Platzierung von Anzeigen zurückgreift, gibt er seine Angaben ins Blaue hinein, nämlich ohne genaue Prüfung, ab. Dies genügt für die Annahme von Arglist.

Aufgrund der Anzeige war also bei Vertragsschluss klar, dass der Kläger mit der von dem Beklagten hervorgerufenen Vorstellung in die Kaufvertragsverhandlungen ging, dass es sich um ein Fahrzeug handelte, das noch keine größeren Schäden erlitten hatte. Der Beklagte wäre nunmehr verpflichtet gewesen, seine fehlerhaften Angaben in der Verkaufsanzeige in den Kauvertragsverhandlungen zu korrigieren. Dies hat er nicht getan. Die Angabe \“Seitenwand hinten nachlackiert\“ ist keine ordnungsgemäße Korrektur. Diese Angabe beinhaltet zwar rein sprachlich auch die Möglichkeit, dass ein größerer Schaden nachlackiert worden ist. Eine ordnungsgemäße Korrektur einer ins Blaue hinein gemachten falschen Angabe über ein Gebrauchtfahrzeug muss sich aber an der Fehlvorstellung orientieren, die bei dem Käufer hervorgerufen worden ist. Nachdem dieser aufgrund der Angabe \“unfallfrei\“ davon ausgehen durfte, dass das Fahrzeug noch keine größeren Schäden erlitten hatte, musste der Beklagte deutlich auf das mögliche Vorhandensein auch größerer Schäden hinweisen.

Damit handelte der Beklagte arglistig, so dass nicht die im Kaufvertrag vereinbarte einjährige Verjährungsfrist gilt, sondern die Regelverjährungsfrist, die drei Jahre beträgt und zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 25.9.2012 noch nicht abgelaufen war. Im Rahmen des großen Schadensersatzes kann der Kläger Rückabwicklung des Kaufvertrags verlangen. Gem. §§ 281 Abs. 5, 346 BGB hat der Kläger dem Beklagten allerdings im Gegenzug den Wert der gezogenen Nutzungen herauszugeben.

Quelle: Landesrechtsprechung Baden-Württemberg

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