AG München v. 28.2.2019 – 484 C 18186/18 WEG
Unzulässige Wildcam in WEG
Bereits die bloße Möglichkeit, von Überwachungskameras des Nachbarn erfasst zu werden, kann im konkreten Einzelfall unzumutbar sein. Hierdurch wird schließlich ein unzulässiger Überwachungsdruck aufgebaut.
Der Sachverhalt:
Kläger und Beklagter sind jeweils Eigentümer einer Wohnung in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). Im Juli 2018 hatte der Beklagte am Balkon der ihm zugehörigen Wohnung in zehn Metern Höhe eine Überwachungskamera installiert, die auf den Gemeinschaftsgarten gerichtet war. Er hat die Kamera auf Verlangen der Miteigentümer wieder entfernt, eine entsprechende Unterlassungserklärung aber nicht unterschrieben.
Der Beklagte, der vorgerichtlich noch erklärt hatte, dass es sich um eine bloße Kameraattrappe gehandelt habe, gab in der Hauptverhandlung an, dass es sich um ein Kameragerät handele, wie es Jäger verwenden würden. Demnach könne die Kamera mittels einer Schlinge an einem Baum befestigen und auf ein Zielobjekt gerichtet werden – wie etwa auf einen Fuchsbau. Wenn sich dann etwas bewegt, macht die Kamera ein Bild. Auf Frage des Gerichts nach dem Warum erklärte er, dies sei ein absoluter Quatsch gewesen. Die Entfernung zum Gemeinschaftsgarten und zu den Bäumen betrage ca. fünfzehn Meter und das Gerät könne nur in etwa drei Meter Entfernung auslösen, wenn sich dort etwas bewege. In dem Anwesen sei bereits zweimal im Erdgeschoss eingebrochen worden und seinem Sohn seien aus dessen nahegelegener Tiefgarage heraus zwei Fahrräder geklaut worden.
Der Kläger fühlte sich durch die Kameras beeinträchtigt. Er möchte nicht aufgenommen werden, wenn er sich auf Gemeinschaftseigentum aufhält. Der Antrag des Beklagten auf Genehmigung der Überwachungskamera sei im Oktober 2018 schon gar nicht erst auf die Tagesordnung der Eigentümerversammlung gesetzt worden. Das AG gab der Klage statt. Das Urteil ist nach Rücknahme der Berufung rechtskräftig.
Die Gründe:
Der Beklagten wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise, für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen die Gemeinschaftsflächen seiner WEG mit technischen Geräten (Video Kameras, Dash-Cams oder sonstige Geräte, die zur Aufnahme von Bild und Ton geeignet sind) zu überwachen.
Gem. § 14 Nr. 1 WEG ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Nach obergerichtlicher Rechtsprechung kann die Installation einer Videokamera zwar durchaus von dem Gebrauchsrecht des Eigentümers oder Sondereigentümers umfasst sein, dies gilt jedoch nur dann, wenn die Kamera ausschließlich auf Bereiche ausgerichtet ist und Bereiche erfasst, die dem Sondereigentum des jeweiligen Eigentümers zugehören.
Die Wildcam war in Richtung Gemeinschaftsgarten positioniert. Unerheblich war, ob die WildCam lediglich in einer Weite von drei Metern filmen kann oder darüber hinausgehend. Die Rechtsprechung sieht es regelmäßig sogar als ausreichend an, dass durch das Vorhandensein einer derartigen Kamera bereits in die Rechte der Betroffenen eingegriffen werde, denn hierdurch werde ein unzulässiger Überwachungsdruck aufgebaut. Dem ist insbesondere vor dem Hintergrund zuzustimmen, dass für die Miteigentümer, die Mieter und Besucher nicht ersichtlich ist, ob und wann die Kamera tatsächlich aufnimmt und aufzeichnet. Sofern die Betroffenen eine Überwachung durch derartige Kameras objektiv ernsthaft befürchten müssen, liegt bereits ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vor.
Zudem fehlte es im vorliegenden Fall an der notwendigen Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft. Das Gericht verkennt hierbei nicht, dass das Interesse der Beklagten grundsätzlich nachvollziehbar ist und aufgrund der entsprechenden Darlegungen auch durchaus ein erhöhtes Sicherheitsinteresse bestehen mag. Dies führte aber hier nicht dazu, dass die Beklagte berechtigt ist, ohne jedwede Kontrollmöglichkeit durch die Gemeinschaft, Teile des Gemeinschaftseigentums zu überwachen. Zudem hatte der Beklagte die Absicht weiterer Überwachungsmaßnahmen in einer E-Mail konkret angekündigt.
Quelle: AG München PM vom 17.5.2019 ds“:[„